Zugvögel erkennen Gefahr durch Windrotoren
Publiziert: Dezember 2025
Eine neue Studie des deutschen Bundesverbands Windenergie Offshore (BWO) belegt, dass Zugvögel Windenergieanlagen fast vollständig meiden und das Kollisionsrisiko deutlich geringer ist als bisher angenommen. Im Auftrag der finanzierenden Mitgliedsunternehmen hat der BWO im Rahmen dieser Studie das tatsächliche Kollisionsrisiko in einem küstennahen Windpark in Norddeutschland untersuchen lassen. Die Ergebnisse liefern auch eine solide Basis für einen naturverträglichen Ausbau der Offshore-Windenergie.
Jedes Jahr überqueren Millionen Zugvögel die Nord- und Ostsee und damit auch Gebiete mit Offshore-Windparks. Welche Auswirkungen diese Anlagen auf Zugvögel haben, ist bisher nur unzureichend erforscht. Der BWO hat gemeinsam mit mehreren Unternehmen der Branche deshalb im Rahmen der Studie das tatsächliche Kollisionsrisiko in einem küstennahen Onshore-Windpark in Norddeutschland untersuchen lassen.
Die Forschenden analysierten über vier Millionen Vogelbewegungen innerhalb von eineinhalb Jahren. Die Daten widerlegen die bisherige Annahme, dass hohe Zugintensität automatisch mehr Kollisionen bedeutet. Pauschale Abschaltungen bei starkem Vogelzug erscheinen daher nicht sinnvoll.
Das Ergebnis:
- Die Auswertung der Messdaten ergab, dass die Zugvögel bei laufenden Rotoren eine deutliche Ausweichreaktion zeigen. Denn wenn die Turbinen sich drehen, so die Studie, reduziere sich die Anzahl der Vögel, die durch die Rotorebene hindurchfliegen auf ein Zwanzigstel, verglichen mit Anlagen während des Stillstands. Insgesamt bilanzieren die Autoren der Studie, dass fast 99,9 Prozent der Vögel, die sich dem Windpark in Rotorhöhe nähern, den Rotor meiden, wenn die Anlagen sich drehen. Dieser Anteil sei während des Tages ähnlich wie in der Nacht.
- Die Radardaten gaben zudem Hinweise auf die Flughöhe der Vögel. Diese wurde auch im Zusammenhang mit Wetterparametern analysiert, womit sich auch unabhängig von der Windkraft grundsätzliche Erkenntnisse zum Zugverhalten der Tiere ergeben. Rund ein Drittel der Tiere flog am Beobachtungsort in der «Risikohöhe» von 25 bis 180 Meter über Grund. Die durchschnittliche Flughöhe lag aber bei rund 300 Metern, einige Vögel flogen auch bis zu 1000 Meter hoch.
- Keine Korrelation zwischen Zugintensität und Kollisionen: Entgegen der bisherigen Annahme stieg die Kollisionsrate nicht mit der Anzahl ziehender Vögel. Auch bei hoher nächtlicher Zugaktivität flogen nur sehr wenige Vögel durch den Rotorbereich.
- Technologischer Fortschritt: Die Kombination aus Radar und KI-basierten Kameras stellt einen methodischen Durchbruch dar und erlaubt eine bislang unerreichte Genauigkeit bei der Erfassung von Vogelflugbewegungen in der Rotorebene. Dadurch werden belastbare Rückschlüsse zur Kollisionshäufigkeit ermöglicht.
Explizit beziehen sich die Forschungen nur auf Zugvögel, nicht auf die Standvögel, die ganzjährig in ihrer angestammten Region verbleiben. Die Standvögel verhalten sich oft völlig anders als die Schwärme der Zugvögel. Unter den Kollisionsopfern, die während der Hauptzugzeiten gefunden wurden, sind «keine Arten gewesen, die bekanntermaßen den Großteil des nächtlichen Vogelzugs am Untersuchungsort ausmachen».
Innovative Methoden liefern neue Massstäbe in der Vogelzugforschung
«Wir haben modernste Methoden eingesetzt. KI-gesteuerte Stereokameras bestimmten die Flugaktivität im Rotorbereich, während ein spezialisiertes Vogelradar das Zuggeschehen aufzeichnete. Durch den Vergleich beider Datensätze konnten wir Ausweichraten präzise berechnen. Zusätzlich suchten wir gezielt nach Kollisionsopfern. So entstand ein umfassendes Bild des tatsächlichen Kollisionsrisikos von Zugvögeln an Windenergieanlagen,» fasst Jorg Welcker, Leiter Forschung und Entwicklung bei der BioConsult SH GmbH & Co. KG, die Studie zusammen.
Die Studie finden Sie hier.
Quellen: